Das Marx-Engels-Forum ist ein Denkmal-Komplex für die ehemalige DDR. Abgesehen von der politischen Botschaft der damaligen Zeit wird an die positiven Erinnerungen an Ostdeutschland erinnert. Ein Besuch ist daher nicht zwingend erforderlich.
Ein Besuch ist optional
Die 1970er Jahre waren eine schwierige Zeit für Ostdeutschland. Die Wirtschaft war nicht mehr lebensfähig und stand weiterhin unter sowjetischem Einfluss. Das Regime war sklerotisch und hatte eine privilegierte Bürokratie, die nichts mit den sozialen Gegebenheiten des Landes zu tun hatte. Die neue Generation hatte die heroischen Zeiten des Aufbaus des Sozialismus nicht mehr erlebt. Im besten Fall war sie desinteressiert, im schlimmsten Fall protestierend.
Das Aufeinandertreffen sozialer Widersprüche und wirtschaftlicher Härten führte zu einer Identitätskrise, von der sich die DDR nicht mehr erholen sollte. In ihren letzten Jahren versuchte die Regierungspartei verzweifelt, zu ihren Wurzeln zurückzukehren, indem sie Tradition und Ideologie miteinander verband. Die sozialistischen Ideale mussten umschmeichelt und in einer deutschen nationalen Dimension verankert werden, nicht nur in einer sowjetischen. Die DDR machte ihr Existenzrecht geltend.
Die Hauptstadt wurde zu einer riesigen Baustelle. Die funktionalistische Architektur wurde aufgegeben, und das preußische architektonische Erbe wurde wiederaufgebaut. Zunächst wurde der Gendarmenmarkt nach den Regeln des Neoklassizismus rehabilitiert. Das Nikolaiviertel, die ursprüngliche Stadt Berlins, die während des Hitlerregimes zerstört worden war, wurde wiederaufgebaut. Symbolisch wurde das Herz und die Seele Berlins in den Osten verlegt. Aus zufälligen Ambitionen heraus entstanden Plattenbauten mit Stahlbeton-Fachwerk. Gleichzeitig wurde ein Denkmal zum Gedenken an einen im Konzentrationslager ermordeten kommunistischen Anführer enthüllt. Vor allem aber wurde 1986 der Bau eines riesigen Marx-Engels-Forums zum Gedenken an die ideologischen Väter des Kommunismus, die Deutschen Karl Marx und Friedrich Engels, abgeschlossen.
Eine Rückkehr in die ostdeutsche Vergangenheit
Das Marx-Engels-Forum befindet sich in der Nähe der Museumsinsel und ist ein riesiger, leerer Platz ohne Vegetation oder besondere Aufwertung. Das Fehlen jeglicher Informationstafeln über die Natur des Denkmals, aber auch über seine jüngste Geschichte seit der Wiedervereinigung, belastet den Besucher.
Drei künstlerische Werke bilden den eigentlichen Denkmal-Komplex. In der Mitte erheben sich die Statuen von Marx und Engels, der eine stehend, der andere sitzend. Weit entfernt von den damals geltenden heroischen Codes ist die Darstellung in menschlichem Maßstab gehalten, um ein Gefühl der Nähe zu schaffen. Das Design war bei der damaligen DDR-Führung sehr unpopulär, da Gorbatschow es einfach zu "deutsch" fand.
Hinter den Figuren der beiden Theoretiker symbolisiert ein gerades Marmorrelief die alte Welt. Sie steht für den dekadenten Kapitalismus, der die Menschheit unterdrückt. Davor zeigen andere Reliefs, diesmal in Bronze, üppiger und alle in Bewegung, die Würde und Schönheit des freien Menschen. Der singende Morgen wird also einerseits durch den theoretischen Beitrag der beiden Genossen und andererseits durch die revolutionäre Aktion bestimmt.
Acht Flachstahlsäulen, die in einem Bogen um die Statue herum angeordnet sind, zeigen die Geschichte der Arbeiterbewegung anhand von etwa hundert in das Metall eingelassenen Fotografien: Rätedemokratie, Gewerkschaftsbewegung, Frauenbefreiung, Alphabetisierung der Massen, industrieller Fortschritt durch Kollektivierung, Eroberung des Raums. Von der Theorie zur Praxis: Von der Theorie zur Praxis, die Symbole sind stark und die Inszenierung ist für die damaligen Verhältnisse ziemlich bemerkenswert.
Eine Neufassung vor der Rehabilitierung
Die deutsche Wiedervereinigung warf die Frage nach dem ostdeutschen Erbe und seinem Platz in der entstehenden nationalen Erzählung auf. Im Gegensatz zu den Statuen von Lenin blieben die von Marx und Engels im Namen ihrer deutschen Wurzeln an ihrem Platz. Sie blieben jedoch sehr starke und widersprüchliche ideologische Symbole. Es gab lokalen Widerstand, weniger aus politischer Überzeugung als im Namen des Schutzes des architektonischen Erbes der DDR. Aber der Marsch hatte begonnen.
Als erstes wurde der Palast der Republik, einer der Höhepunkte der ostdeutschen Macht, aufgegeben und dann abgerissen. Das Verschwinden dieses imposanten Gebäudes gegenüber dem Denkmal ließ Marx und Engels etwas verwaist zurück. In einer zweiten Phase ermöglichten die Pläne für die Verlängerung der U-Bahn im Jahr 2010 eine Neuordnung des Forums. Durch das Manöver wurde das Forum auf einen kleinen Teil reduziert und in eine von der Außenwelt abgeschnittene Grünfläche eingebettet. Vor allem aber wurden die Reihenfolge und die Bedeutung der Ensembles umgekehrt. Die Reliefs der Unterdrückung wurden im Osten und die des universellen Glücks im Westen platziert. Die Statuen wurden umgedreht, so dass Marx und Engels dem Fernsehturm, der DDR, den Rücken kehrten und lieber nach Westen blickten. Es ist in der Geschichte üblich, dass neu hegemoniale Kräfte die Spuren ihrer Vorgänger verwischen. Das ostdeutsche Regime ist verschwunden.
Ist die deutsche Wiedervereinigung abgeschlossen?
Dieses historische Make-up findet im Jahr 2023 ein überraschendes Ende. Die Renovierungsarbeiten am Platz führten zu einem unerwarteten und spektakulären Coup: Das Marx-Engels-Forum wurde umgestaltet, um seine frühere Konfiguration wieder herzustellen. Die Gründerväter des wissenschaftlichen Sozialismus blicken wieder nach Osten. Sie verlassen ihre frühere Intimität in der Vegetation und stehen nun im Zentrum eines riesigen, kreisförmigen Platzes, der leider viel zu leer ist.
Im Allgemeinen lässt eine solche Umkehrung der Situation die Fragen des Gedenkens mit Optimismus betrachten. Nichts ist starr: Die Positionen aller Beteiligten können sich ändern. Mit der Zeit verblassen die politischen Leidenschaften und machen Platz für differenziertere und vernünftigere Meinungen. Die Paradigmen ändern sich zum Guten oder zum Schlechten. Auf jeden Fall passen sie sich an die zeitgenössischen Herausforderungen an. Indem Deutschland und Berlin ihren Ansatz korrigieren, erkennen sie das ostdeutsche Erbe an, um es in ein gemeinsames Erbe zu integrieren. Die Neugestaltung des Forums ist Teil des Prozesses der nationalen Versöhnung, der kurz vor dem Abschluss steht. Damit ist die Katharsis erreicht.
Das Marx-Engels-Forum ist jedoch ein markantes ideologisches Symbol. Gehört es als historisches und politisches Objekt in den öffentlichen Raum oder in ein Museum? Wie auch immer, die jüngste Geschichte des Marx-Engels-Forums unterstreicht die fehlende Neutralität der Erinnerung. Vorsicht ist geboten, da niemand die Gegenwart durch eine Neuinterpretation der Vergangenheit bestätigen kann.
Pro
Relevante Inszenierung
Eine Geschichte der deutschen Wiedervereinigung
Sehr leicht zugänglich
Kontra
Vollständiges Fehlen von Informationen
Das Verschwinden der schattigen Plätze nach der Renovierung
Ein ideologischer Raum ohne Geländer
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