Denkmal Frauenprotest 1943: Ein organisches Ensemble rund um die Shoah
- Dr Julien Drouart
- 8. Apr.
- 4 Min. Lesezeit

Das Denkmal Frauenprotest 1943 in Berlin erinnert am ursprünglichen Ort an die Proteste nichtjüdischer Frauen gegen die Verhaftung und Deportation ihrer jüdischen Ehemänner im Jahr 1943. Das wenig hervorgehobene Ensemble überrascht durch seinen Stil und seine Darstellungen.
Der Besuch des Denkmal Frauenprotest 1943 ist fakultativ.
Der nationalsozialistische Antisemitismus folgt einer politischen Agenda, die sowohl von der Ideologie als auch von äußeren Ereignissen bestimmt wird. Das Schema ist simpel, fast schon klassisch in der Geschichte der europäischen Rechtsextremen: Wenn es Deutschland gut geht, liegt es daran, dass es dem Juden schlecht geht. Diese Vorstellung findet ihren perfekten Ausdruck in dem in der deutschen Gesellschaft der damaligen Zeit vielfach wiederholten Slogan „Die Juden sind unser Unglück“. Umgekehrt wird durch einen Pendelschlag jeder Rückschlag als von den Juden, oder genauer gesagt von der internationalen und damit staatenlosen Judenheit, verursacht angesehen.
Die Besonderheit des nationalsozialistischen Antisemitismus liegt in seiner apokalyptischen Vision eines jahrtausendealten Kampfes zwischen Semiten und Ariern. Die völkermörderische Absicht ist theoretisch, durchdringt aber die gesamte deutsche Gesellschaft und wird während des Zweiten Weltkriegs zur materiellen Realität. Als Reaktion auf die militärischen Niederlagen 1941 vor Moskau und 1943 in Stalingrad verschärfte die Naziherrschaft ihre antisemitische Politik. Im Februar 1943 wurde beschlossen, Berlin von den letzten Juden zu befreien, die bis dahin als wichtige Arbeitskräfte oder durch eine Mischehe geschützt worden waren. Es handelt sich um die Fabrikaktion.
Das reibungslose Funktionieren des Regimes hängt jedoch von der Zustimmung oder zumindest der Resignation der Bevölkerung ab. Wenn eine größere Opposition entsteht, kommt es zu einem vorübergehenden Rückzug. Im Februar 1943 protestierten nichtjüdische Ehefrauen in Berlin für die Freilassung ihrer Ehemänner und Kinder. Nach tagelangem Gepolter geben die Machthaber nach und die Gefangenen kehren in ihre Häuser zurück. 1995 wurde in der Rosenstraße ein Denkmal zur Erinnerung an das Ereignis eingeweiht.

In einer Sackgasse
Auf einem langen Boulevard, der den Alexanderplatz, die Museumsinsel und weiter hinten das Brandenburger Tor verbindet, führt eine kleine Sackgasse zum Denkmal Frauenprotest 1943. Es befindet sich inmitten einer kleinen Grünfläche, die von Plattenbauten umgeben ist. Der Park ist oft mit Müll übersät und lädt keinesfalls zur Besinnung oder Entspannung ein. In der Mitte befinden sich mehrere geschnitzte Blöcke, die einen Bogen bilden. Ihr Zustand ist bedauerlich und der Sandstein der Statuen lässt einen offensichtlichen Mangel an Pflege erkennen. Der erste Eindruck ist der einer unglücklichen Kloake.
Die Blöcke sind geradlinig und symbolisieren die Unterdrückung durch ein entmenschlichtes System. Dennoch zeichnen sich in ihrem Inneren schlanke Reliefs ab, die von Männern und Frauen stammen. Manchmal durchbrechen diese geschwungenen Formen die Linien des Blocks in einem seltsam üppigen und organischen Geist. Der Bruch erfolgt und die Ensembles kommen zusammen. Es handelt sich um Frauen, die ihre Ehemänner und Angehörigen in einem unwiderstehlichen und befreienden Impuls fordern: Liebe, vielleicht der Überlebensinstinkt. An ihrer Seite gibt es Blöcke, die Widerstand leisten und in denen die Menschen eingesperrt und komprimiert bleiben. Außerhalb der Mauern tauchen Figuren auf, die vom Regime zerquetscht werden und die Zerstörung der Menschen und der jüdischen Kultur symbolisieren.
Wenn man näher herangeht, werden die Gesichter sehr ausdrucksstark und die quellenden Volumen quellen über. Gravuren tauchen auf und zeichnen Symbole, die manchmal explizit sind, wenn man ihre Bedeutung kennt. Am Eingang des Parks stehen Informationen, die für den Uneingeweihten jedoch ziemlich unklar bleiben. Etwas weiter entfernt sitzt ein Mann auf einer Bank und beobachtet die Szene. Er repräsentiert die Gleichgültigkeit derjenigen, die passiv ihre Empörung oder eine gewisse Zustimmung zum Ausdruck gebracht haben. Dieser skulpturale Abschnitt ist der Spiegel, der den Besucher dazu auffordert, sich angesichts der tragischen Ereignisse, die sich vor seinen Augen abspielen, zu positionieren.

Die künstlerische Darstellung der historischen Tatsache
Das Denkmal Frauenprotest 1943 überrascht in vielerlei Hinsicht, was zum Teil die Vorbehalte und die Kritik an ihm erklärt. Der künstlerische Stil ist sehr organisch, die Körper sind ineinander verschlungen und vermischen sich. Die Individuen bilden eine Masse, ein zusammenhängendes Ganzes, das gleichzeitig Dramen ankündigt und Hoffnung bringt. Alles geschieht über das Gefühl, daher die spärlichen Informationen vor Ort. Die Bewegung erzeugt so eine heroisch anmutende Dynamik, die an die vorherrschende sozialistische Strömung in der ehemaligen DDR erinnert.
Die Künstlerin Ingeborg Hunzinger war eine überzeugte Kommunistin. Als Mitglied der SED hatte sie sich auf die Seite der DDR geschlagen und war 1949 in die DDR übergesiedelt, wo sie später zu einer wichtigen Figur der ostdeutschen Kulturszene wurde. Trotz einiger Meinungsverschiedenheiten blieb sie ihr Leben lang ihren antifaschistischen und sozialistischen Idealen verpflichtet. Ingeborg Hunzinger war über ihre Mutter auch Jüdin und hatte als Halbjüdin unter dem nationalsozialistischen Regime weder das Recht zu arbeiten noch zu heiraten. Daher ging sie zum Studium nach Italien und entdeckte dort die Werke Michelangelos, die ihr künstlerisches Empfinden zutiefst prägten.
Das Denkmal Frauenprotest 1943 hat daher seine Quellen sowohl im Realismus als auch im Humanismus. Diese Verschmelzung, die das Ergebnis eines persönlichen Werdegangs ist, verleiht dem Ganzen ein ziemlich beunruhigendes, traumartiges Gefühl. Kann man das kritisieren? Die Antwort lautet nein, denn der Künstler hat seine eigene Vision. Allerdings lädt diese Ästhetik nicht dazu ein, über den Holocaust als das nachzudenken, was er war, nämlich ein Akt der absoluten Negation gegen jüdische Menschen. Indem der Fokus auf nichtjüdische Frauen statt auf ihre jüdischen Gefährten gelegt wird, wird das Narrativ zutiefst verändert.

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Die Dynamik der Skulpturen
Der Reichtum an Details und Symbolik
Die persönliche Vision des Künstlers
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Schlechte Bewertung des Ortes
Die Shoah auf die Schippe genommen
Ein veraltetes Werk
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