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  • AutorenbildDr Julien Drouart

Otto Weidt Museum: Eine lokale Geschichte der Shoah

Aktualisiert: 22. Juni 2023


Das Museum Blindenwerkstatt Otto Weidt befindet sich in einem Innenhof des Komplexes Haus Schwarzenberg im Scheunenviertel. Trotz des begrenzten Museumsraums gelingt es ihm, der Shoah auf sehr einfühlsame Weise Gesichter zu verleihen.


Das Museum ist einen Besuch wert. Es ist auch ein persönlicher Lieblingsort.


Nach der Deportation der Berliner Juden ab 1941 und der Fabrikaktion Anfang 1943 lebten nur noch einige tausend Berliner mit jüdischer Kultur und/oder jüdischem Glauben in der Hauptstadt des Dritten Reichs. Die meisten von ihnen waren in für die Durchführung des Krieges wichtigen Fabriken beschäftigt. Eine vom Krieg diktierte wirtschaftliche Notwendigkeit, die jedoch nicht vor möglichen Razzien schützte.


Der Industrielle Otto Weidt leitete ein Unternehmen, das Bürsten herstellte. Diese Geräte waren für die Sauberkeit der Baracken, insbesondere der Militärgebäude, unerlässlich. Folglich wurden die Werkstätten vom nationalsozialistischen Regime beaufsichtigt. Die meisten Mitarbeiter waren seh- und hörbehindert, da sie die Bürstenkästen durch ihren Tastsinn besser handhaben konnten. Die meisten von ihnen waren Juden.


Während des Krieges versuchte Otto Weidt, das Leben seiner jüdischen Mitarbeiter zu schützen. Er verbot inoffiziell das Tragen des gelben Sterns bei der Arbeit und ließ mit Hilfe von Freunden im Geheimen gefälschte Ausweise anfertigen, die die Identität der Personen germanisierten. Er würde alles tun, um seine große Liebe Alice Licht zu retten. Nach seinem Tod wurde er mit dem Titel "Gerechter unter den Völkern" geehrt. Heute erinnert ein Museum an sein selbstloses Handeln und an seine Mitarbeiter.


Eine biografische und menschliche Sicht auf die Shoah


Die Dauerausstellung des Otto-Weidt-Museums befindet sich in fünf Räumen an den Originalstandorten. Einige wenige Objekte sind in Vitrinen und im Hauptraum ausgestellt. Während einige Dokumente mit nationalsozialistischem Siegel an die damaligen Ereignisse erinnern, bemühen sich die meisten Ausstellungsstücke darum, jedem Menschen ein Gesicht zu geben. Der biografische Faktor wird mithilfe von Fotografien, Postkarten und einer umfangreichen schriftlichen Korrespondenz aufgewertet. Die gezeigten Bilder zeigen vergangene persönliche Erlebnisse, Lächeln und banale Szenen aus dem normalen Leben. Jene, die die Gewalt der damaligen Zeit und Verbrechen zeigen, sind nicht zu sehen. Der Ort ist nicht traumatisch. Ohne jeglichen Voyeurismus sucht er die Katharsis.


Die Museumsgestaltung folgt dem richtigen Konzept einer diskreten Abfolge von Themenräumen. Am Empfang werden die Ereignisse zeitlich und räumlich kontextualisiert. Der Ansatz bleibt lokal und die Erklärungen sind nicht darauf ausgerichtet, die Realitäten der Shoah im Detail zu erläutern. Im Hauptraum werden dann die Protagonisten und ihre Tätigkeit in den Werkstätten vorgestellt. Ein kleines Modul über die nichtjüdischen Mitarbeiter von Otto Weidt wird in einem Korridor präsentiert, der sehr ähnlich aussieht. In den letzten beiden Räumen schließlich wird das Schicksal der Überlebenden und der Umgekommenen dargestellt. Eine kleine Inszenierung schließt den Rundgang ab.


Das Museum ist ein großer Erfolg für den, der die Schlüssel dazu hat


Die Ausstellung leidet darunter, dass es keinen wirklichen roten Faden gibt. Da die Erzählung nicht chronologisch ist, kann ein Besuch nicht linear verlaufen und ein Hin- und Herwechseln zwischen den verschiedenen Räumen ist für das Verständnis notwendig. Man bedauert daher eine wackelige und oft unzugängliche Museografie. Diese Lücke kann zum Teil durch Audioguides geschlossen werden. Aufgrund der zentralen Bedeutung des biografischen Elements ist die beste Art, das Museum zu besuchen, immer noch die Begleitung durch einen Referenten.


Die geringe Größe des Museums verhindert Überfüllung und Gedränge und garantiert so die Ruhe der Besucher. Es herrscht ein Gefühl von fast feierlicher Vertrautheit. Trotz des ernsten Themas ist die Atmosphäre aufgrund der hübschen Pastellfarben, in denen die Wände gehalten sind, nicht bedrückend. Auch wenn die visuelle Darstellung letztlich eher dürftig ist, kann man das Erlebnis mit einer gewissen Leichtigkeit genießen. Die Geschichte, die das Museum erzählt, ist eine Ode an das Leben. Aus diesem Grund ist der Besuch auch für die Jüngsten bestens geeignet.


Das Otto-Weidt-Museum befindet sich zwar inmitten eines festlichen Ensembles mit Graffiti, Kino und Bar, doch es ist unglaublich diskret, um sich besser in das Alltagsleben zu integrieren. Die Räume sind klar abgegrenzt und überlagern sich nicht. So kann sich jeder für die Erinnerung entscheiden, ohne sich im Namen irgendeiner moralischen Verpflichtung dazu gezwungen zu fühlen. Das Denkmal der versunkenen Bibliothek verfolgt einen ähnlichen Ansatz, bei dem die Erinnerung den Zeitgenossen nicht aufgezwungen wird.


Gefällt mir

  • Die Zentralität des biografischen Elements

  • Eine ästhetisch sehr gelungene Leere

  • Das kompetente und aufmerksame Empfangspersonal

  • Die Möglichkeit eines glücklichen und positiven Endes

  • Die perfekte Integration des Museums in einen Freizeitbereich.

  • Erklärungen, die in Braille-Schrift verfügbar sind

Gefällt mir nicht

  • Schlecht etablierte thematische Segmente

  • Schwer zugängliche Informationen, wenn man nicht begleitet wird

  • Sehr wenig zu sehen

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