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  • AutorenbildDr Julien Drouart

Erinnerungsstätte Marienfelde: Über das Exil reden

Aktualisiert: 23. Juni 2023


Das Erinnerungsmal stellt die Frage nach dem Exil mit großer Empathie.

Die Gedenkstätte Marienfelde ist zugleich Gedenkstätte und Museum über die DDR und West-Berlin. Vor allem aber nimmt sie auf intelligente Weise Bezug auf die aktuelle Migrationsproblematik. Leider ist sie überhaupt nicht hervorgehoben.


Ein Besuch der Erinnerungsstätte Marienfelde ist optional


Das Ende der Berlin-Blockade im Jahr 1949 führte zur Bildung zweier deutscher Staaten, die den Demarkationslinien der Besatzungssektoren folgten. In der DDR wurde der Volksaufstand vom Juni 1953 von der Roten Armee gewaltsam unterdrückt und politische Gewalt gegen echte oder vermeintliche Regimegegner entfesselt.


Viele entschieden sich, in den Westen zu fliehen. Die innerdeutsche Grenze zwischen der BRD und der DDR war damals nur schwer zu überschreiten, aber die Besonderheit der Teilung isolierte West-Berlin auf ostdeutschem Gebiet, und in Ermangelung eines luftdichten und effizienten Grenzsystems wurde die Westzone zum bevorzugten Durchgangsort in den Rest Westdeutschlands. Die Bewegung war massiv. Innerhalb weniger Jahre durchliefen fast zwei Millionen Ostdeutsche West-Berlin und die vom Roten Kreuz und dem westdeutschen Staat eingerichteten Notaufnahmelager.


Das Hauptzentrum lag im amerikanischen Sektor in Marienfelde. Es wird auch heute noch für die Aufnahme von Flüchtlingen aus aller Welt genutzt. Eines der Gebäude wird heute als Erinnerungsort genutzt und beherbergt eine Ausstellung über Exil und Identitätsverlust.


Die Frage des Exils im Visier


Die Ausstellungsfläche erstreckt sich über zwei Etagen des ehemaligen Verwaltungsgebäudes des Zentrums. Im Erdgeschoss schließen sich drei Räume entlang eines Korridors an, an dessen Wänden die wichtigsten Ereignisse der deutschen Teilung in chronologischer Reihenfolge kurz erläutert werden. Die Exponate zeigen, aus welchen Gründen Hunderttausende Menschen bis 1961 ins Exil getrieben wurden und auf welche Weise sie die DDR nach dem Mauerbau verlassen konnten. Die Museografie ist übersichtlich und der Raum ist relativ klein, was den fast intimen Aspekt der Ausstellung verstärkt.


Biografische Notizen geben Auskunft über die verschiedenen Lebenswege und einige Alltagsgegenstände von einem Paar Schuhe bis zu einer Puppe eines kleinen Mädchens. Das Ganze ist zutiefst menschlich. Der dritte Raum erzählt von den bürokratischen Prüfungen, die der Geflüchtete überwinden musste, um zu hoffen, nicht in Westdeutschland bleiben zu müssen, sondern einfach das Recht auf Arbeit zu erhalten und alle sozialen Absicherungen zu bekommen, die notwendig sind, um ein neues Leben zu beginnen.


Im ersten Stock wird die Organisation des Empfangs selbst mit einer Präsentation der Kantinenmenüs und vielen menschlichen Geschichten besprochen. Eine Fotoausstellung zeigt das tägliche Leben im Zentrum von 1953 bis heute. Schwarz-Weiß-Fotos werden nach und nach durch Farbfotos ersetzt. Ostdeutsche Familien werden durch andere aus Syrien, Bosnien oder der ehemaligen Sowjetunion ersetzt. Schließlich geht der Besucher durch historische Schlafzimmer, an deren Wänden Zitate vergangener und gegenwärtiger Flüchtlinge die gleichen Befürchtungen und Gefühle widerspiegeln: das Versprechen eines Neuanfangs und die Angst vor Erneuerung.


Wenn die historische Frage auf den neuesten Stand gebracht wird


Die Auseinandersetzung der Gedenkstätte Marienfelde mit der Geschichte der deutschen Teilung fragt intelligent nach den Gründen, warum sich Menschen auf den Weg des Exils machen. Die Ängste und Befürchtungen der Flüchtlinge von damals und heute sind gar nicht so verschieden, und die Erwartungen an ein normales Leben sind letztlich von einer Epoche zur nächsten recht ähnlich.


Die Gedenkstätte aktualisiert das historische Faktum, um es in den breiteren Rahmen der deutschen Aufnahmepolitik seit 2015 zu stellen. Doch das Ganze hat auch seine Grenzen, vor allem die der mangelnden Vollständigkeit und einer letztlich eher allgemeinen Präsentation, die den Besucher vielleicht nach mehr verlangen lässt. Dies verrät einen Mangel an Ehrgeiz und damit das Fehlen eines politischen Willens, diesen emblematischen Ort zu einem echten Museum des Exils zu machen.


Gefällt mir

  • Die menschliche Dimension der Ausstellung

  • Ein geteilter Raum zwischen Erinnerungsarbeit und Aufnahme von Flüchtlingen

  • Die Frage des Exils endlich angesprochen und aktualisiert

Gefällt mir nicht

  • Eine Museografie, die manchmal unlesbar ist, weil sie überladen ist

  • Ein Ort der Erinnerung, der allmählich verschwindet

  • Eine eher begrenzte Ausstellungsfläche

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