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Der Gendarmenmarkt in Berlin ist ein historischer Platz im ehemaligen Königreich Preußen. Als Hochburg der klassischen Kultur wäre der Platz absolut bezaubernd, wäre er nicht ständig Gegenstand von Renovierungsarbeiten. Mehr noch: Er ist ein von seiner Umgebung losgelöstes Relikt.
Der Gendarmenmarkt ist einen Besuch wert
Die Geschichte des Gendarmenmarkts ist charakteristisch für die Entwicklung Berlins ab dem Ende des 17. Jahrhunderts. In Frankreich hob das Edikt von Fontainebleau die Religionsfreiheit auf und warf Hunderttausende Protestanten auf die Straße des Exils. Als Reaktion darauf erklärte sich Preußen zum Land der Toleranz und nahm die hugenottischen Flüchtlinge sofort auf, die sich in Potsdam und Berlin niederließen. Dieses Wohlwollen sollte zwei wichtige Folgen haben. Zum einen bereicherten die Flüchtlinge Preußen erheblich, indem sie ihr Vermögen und ihr Know-how mitbrachten. Zum anderen entwickelte sich Berlin unter dem Einfluss der Neuankömmlinge schnell und wurde zur französischsten und frankophilsten Stadt des Königreichs.
Um die Religionsfreiheit zu feiern, wurden zwei Kirchen, eine lutherische und eine hugenottische, in der Nähe des Schlosses des Prinzen errichtet. Der französische Einfluss ist so stark, dass die bloße Anwesenheit einer Kaserne eines Kürassierregiments, das von den Hugenotten als gens d'armes bezeichnet wird, den neuen Namen des Platzes endgültig festlegt: Gendarmenmarkt, wörtlich Markt der Waffenleute. Unter der Herrschaft von Friedrich II. dem Großen wurden die Kirchen mit identischen Türmen versehen und der Bau des Nationaltheaters vervollständigte die Symmetrie des Platzes. Die Zerstörung des Nationaltheaters bei einem Brand im Jahr 1817 führte zu einer Neugestaltung des Gendarmenmarktes mit dem Bau des grandiosen Konzerthauses durch den Architekten Karl Friedrich Schinkel.
Wie das gesamte Zentrum Berlins wurde auch der Gendarmenmarkt während des Zweiten Weltkriegs stark zerstört. Das Konzerthaus wurde aufgerissen, die Türme der Kirchen wurden vollständig zerstört und der Platz war nur noch ein Trümmerfeld. Von der DDR, die in den ersten beiden Jahrzehnten ihres Bestehens mit dem Aufbau einer modernen sozialistischen Stadt beschäftigt war, lange Zeit vernachlässigt, begann der Wiederaufbau des Gendarmenmarktes erst Ende der 1970er Jahre und mit der ideologischen Wende des deutschen Sozialismus. Seit der deutschen Wiedervereinigung folgt ein Renovierungs- und Verschönerungsprojekt auf das andere.
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Auf der Suche nach Authentizität
Normalerweise kommt man von allen vier Himmelsrichtungen auf den Gendarmenmarkt. Am spektakulärsten ist die Ankunft vom Opernplatz (oder Bebelplatz) aus mit einer Perspektive in südwestlicher Richtung, die den Platz wunderbar öffnet. Die majestätischen Gebäude im neoklassizistischen Stil sind beeindruckend. Sie wird durch die unglaubliche Gestaltung des Platzes aus dem 18. Die perfekte Symmetrie der deutschen (lutherischen) und der französischen (hugenottischen) Kirche bildet die Achse des großen Konzertsaals. Auf dem Platz stehen einige öffentliche Bänke, um die Ruhe des Ortes zu bewundern, und die zentrale Statue des Dichters Friedrich Schiller am Fuße der triumphalen Treppe des Konzerthauses. Auf dem Boden sorgt ein unwahrscheinliches Gitternetz für eine bemerkenswerte ästhetische Ergänzung.
Die Restitutionsarbeiten der 1970er und 1980er Jahre und die Renovierungen nach der deutschen Wiedervereinigung hinterlassen ihre Spuren. Immerhin ist es leichter, die verschiedenen Komplexe zu datieren. Der ursprüngliche Stein ist dunkler, während die neueren Teile übermäßig weiß sind. Das Neue und das Alte stehen so nebeneinander an einer Fassade, an einer Säule. In dieser Mischung sind die von der DDR wiederaufgebauten Kirchenkuppeln sicherlich die am wenigsten überzeugenden Teile, da ihre mittelmäßige Verkleidung unweigerlich verfällt. Generell wurde das gesamte Viertel zu DDR-Zeiten wiederaufgebaut, wodurch viele vorgefertigte Wohnhäuser sichtbar wurden. Die Fassaden zum Platz hin wurden verschönert, was leider nicht für die Fassaden in den angrenzenden Straßen gilt, wo die Betonplatten immer noch sichtbar sind.
Die Kirchen dienen nicht mehr als Gotteshäuser. Sie wurden saniert und beherbergen nun luxuriöse Restaurants und Ausstellungen. Das Konzerthaus ist immer noch in Betrieb und viele klassische Konzerte werden dort gespielt. Im Gegensatz dazu ist die Umgebung armselig belegt. Die Gegend ist nicht besonders für ihr Nachtleben bekannt und die wenigen Restaurants und Geschäfte reichen nicht aus, um ein dynamisches Nachbarschaftsleben aufrechtzuerhalten. An schönen Tagen beleben die Massen an Touristen, Passanten und Neugierigen einen Platz, der allzu oft leer ist oder von ungewollten Baugerüsten oder dem unumgänglichen Weihnachtsmarkt im Dezember besetzt wird.
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Ein trügerischer Wohlstand
Der aktuelle Zustand des Gendarmenmarkts hat den Staat Berlin dazu veranlasst, neue Renovierungsarbeiten durchzuführen, die diesmal viel ehrgeiziger sind als die vorherigen. Der Umfang des Projekts ist so groß, dass die Bauarbeiten voraussichtlich mindestens ein ganzes Jahr dauern werden. Bis zu einer hypothetischen Eröffnung im Winter 2024 wird es praktisch unmöglich sein, den Platz zu bewundern. Es stimmt, dass es neben der Restaurierung der Gebäude vor allem darum geht, die Missstände aus DDR-Zeiten zu beheben. Dennoch wird die Schließung des Platzes gezeigt haben, dass der traditionelle Weihnachtsmarkt durchaus einige hundert Meter weiter auf dem Opernplatz stattfinden kann, ohne an Prestige zu verlieren.
Der Gendarmenmarkt stellt in seiner unmittelbaren Umgebung eine Anomalie dar. Aufgrund der klassischen Kultur ist er ein Identitätssymbol, das sowohl traditionell als auch elitär ist. Die Musik, die Restaurants und die Geschäfte weisen in diese Richtung. Die angrenzenden Wohngebiete sind jedoch die der ehemaligen DDR, der Arbeiterklasse und der Bevölkerung. Daher richtet sich die neue Konfiguration zwar eher an Menschen aus den privilegierteren sozio-professionellen Milieus, doch diese wohnen eher in den wohlhabenden Vororten im Südwesten der Hauptstadt. Die eigentliche Bevölkerung besteht hauptsächlich aus der Mittelschicht und Rentnern, die oftmals aus Ostdeutschland stammen.
In den meisten westlichen Metropolen befindet sich das klassische Erbe in gehobenen Vierteln. In Berlin ist das Phänomen umgekehrt: Der Gendarmenmarkt ist eine Insel des Wohlstands, die von Plattenbauten gesäumt wird. Dennoch ist diese Anomalie vorübergehend. Deutschland hat sein Narrativ geändert und seine Hauptstadt baut die Zeichen der Vergangenheit wieder auf, zu Recht oder zu Unrecht, angefangen mit dem ehemaligen Schloss der Monarchie. Diese Entwicklung zeugt vom derzeitigen Rückfluss der Peripherie in die Innenstadt, wodurch die Teilung des letzten Jahrhunderts endgültig verwischt wird. Dieses Mammutprojekt schließt natürlich auch den Gendarmenmarkt ein, der ein wichtiges historisches Anhängsel an der Achse Unter den Linden ist. Alles in allem wird sich das Viertel in den nächsten dreißig Jahren radikal verändern.
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