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Karaoke im Mauerpark: das ultimative Volksfest in Berlin

Autorenbild: Dr Julien DrouartDr Julien Drouart

Karaoké au Mauerpark : l'incontournable fête populaire à Berlin

Jeden Sonntagnachmittag treffen sich gebürtige, adoptierte und durchreisende Berliner im Mauerpark, um einem riesigen Karaokefest im Freien beizuwohnen und daran teilzunehmen. Der festliche und ungezwungene Rahmen verspricht ein schönes Volksfest.


Karaoke im Mauerpark lohnt sich


Die Berliner und die Deutschen hängen an ihren Parks, die sehr oft Orte des Lebens und des sozialen Miteinanders sind und nicht nur für Sonntagsspaziergänge reserviert sind. Die Parks ähneln übrigens eher großen, leeren Rasenflächen als blühenden Gärten. Man trifft sich dort, um spazieren zu gehen, ein Familienessen zu teilen, sich mit Freunden zu amüsieren, zu musizieren oder Sport zu treiben. Meistens versammeln sich die Menschen hier und da in Kreisen oder Gruppen.


Der Mauerpark, der während der Jahre der deutschen Teilung an der Demarkationslinie lag, ist heute die Stadtgrenze zwischen dem beliebten Wedding und dem schicken Prenzlauer-Berg. Beide Welten praktizieren ein Leben unter sich und entwickeln sich jeweils nach ganz unterschiedlichen Soziabilitäten, Kulturen und vor allem wirtschaftlichen Realitäten. Doch diese Grenze ist sehr porös: Der Mauerpark ist weder ganz das eine noch Teil des anderen. Er ist eine Brücke zwischen diesen beiden Welten und eine Hochburg der sozialen Mischung. Diese Annäherung ist umso leichter, als jeden Sonntag ein riesiger Flohmarkt veranstaltet wird, mit Essen vor Ort und improvisierten Straßentheateraufführungen.


Ende der 2000er Jahre begründete Joe Hatchiban, ein gebürtiger Ire und Wahlberliner, die Tradition einer riesigen Karaokeveranstaltung in einem wilden Amphitheater im Inneren des Parks. In den warmen Monaten des Jahres besuchten jeden Sonntag fast tausend Menschen dieses große Volksfest. Trotz der langen Zurückhaltung der staatlichen Behörden ist die Veranstaltung inzwischen fest in der lokalen Kultur verankert.

Les foules se pressent pour le karaoké au Mauerpark à Berlin.

Das Amphitheater der Wunder


Das Karaoke im Mauerpark beginnt in der Regel ab 15 Uhr und kann je nach Wetter und Stimmung im Publikum bis zum Einbruch der Dunkelheit dauern. Der Andrang ist jedoch so groß, dass es ratsam ist, sich mehr als eine Stunde im Voraus einen Platz zu sichern. Die Veranstaltung ist kostenlos und für alle offen: Jeder ist für sich selbst verantwortlich und wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Allerdings muss man den richtigen auswählen. Da das Amphitheater nach Westen ausgerichtet ist, ist Sonnenschein unvermeidlich und es gibt nur wenige schattige Plätze. Bei strahlendem Sonnenschein sind eine Kopfbedeckung und eine Sonnenbrille sehr empfehlenswert.


Joe Hatchiban baut seine Ausrüstung am Fuß des Amphitheaters auf und beginnt dann mit der Show. Dieser irische Teufel ist ein Bühnentier und ein unvergleichlicher Saalheizer. Seine außergewöhnliche Einführung gibt sofort den Ton an: Karaoke wird verrückt und frei, hemmungslos und extrovertiert, ohne Vorurteile, aber nicht ohne Talent.


Dann folgt das Spiel der Herausforderungen, der Selbstbehauptung und der Angeberei. Wer singen will, setzt sich auf die Warteliste und hofft, dass sein Lieblingslied angenommen wird. In der Regel wird es das auch. Allzu politische oder religiöse Texte sind jedoch nicht erlaubt, um die gute Stimmung zu erhalten und die Vielfalt des Publikums zu respektieren, obwohl die Teilnehmer hauptsächlich jung sind und oft die gleichen soziokulturellen Codes teilen.


Das Publikum ist großmütig und wohlwollend. Man lacht, ohne sich über die riskanten Auftritte lustig zu machen. Man applaudiert dem Mut der Teilnehmer und ermutigt die Kinder, die wahrscheinlich zum ersten Mal vor Publikum auftreten. Karaoke nimmt seinen Lauf, wenn eine Darbietung das Publikum überwältigt, das lautstark mitsingt und unter tosendem Applaus endet - mit der Genugtuung, eine gute Zeit miteinander verbracht zu haben.

Le karaoké au Mauerpark est une fête populaire.

Das Volksfest im Weltdorf


Karaoke im Mauerpark ist kein Konzert, sondern ein Volksfest, dessen Hauptziel es ist, einen gemeinsamen Sinn zu schaffen. Seine Form mag ikonoklastisch erscheinen: ein bisschen Trash und Rock'n'Roll, ein bisschen Hippie und Hipster. Sein Inhalt hingegen ist traditionell. Man findet den Geist der früheren Dorffeste, bei denen gemeinsam gesungen, getanzt und getrunken wurde. Inzwischen ist aus dieser Volkskultur eine Popkultur geworden, in der das angelsächsische Musikrepertoire vorherrscht.


Die Veranstaltung ist offen für alle Kulturen, Hintergründe und Altersgruppen. Dennoch sind musikalische Überraschungen selten und die Öffnung gegenüber den Kulturen der Welt bleibt begrenzt. Ebenso wird die Abwesenheit älterer Menschen bedauert, die unsichtbar gemacht werden.


Hüten wir uns vor falschen Behauptungen, denn das Karaoke im Mauerpark spiegelt die Globalisierung der Welt wider. Das Publikum ist international und alle Nationalitäten und Genres sind vertreten. Die scheinbare kulturelle Uniformierung führt so zur Schaffung eines Weltdorfes, in dem ein Franzose, eine Italienerin und ein Ire sich über ein gemeinsames Erbe verständigen. Karaoke im Mauerpark ist also alles andere als eine ungewisse Abwechslung, sondern bietet im Gegenteil ein angenehmes Zusammensein unter Gleichgesinnten.


Gefällt mir

  • Die kindliche Atmosphäre

  • Ein zugängliches und beliebtes Spektakel

  • Die Gestaltung des Ortes

Gefällt mir nicht

  • Eine etwas zu starke Jugendlichkeit

  • Schwierigkeit, einen guten Platz zu bekommen

  • Das Fehlen sauberer Toiletten

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