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  • AutorenbildDr Julien Drouart

Olympiastadion: die Architektur des NS-Regimes

Aktualisiert: 24. Juni 2023



Das Olympiastadion in Berlin ist ein architektonisches Meisterwerk. Hier fanden 1936 die Hitler-Spiele statt. Der Ort bietet also zur Freude der Besucher eine doppelte Lesart.


Das Olympiastadion ist einen Besuch wert. Es ist auch ein persönlicher Lieblingsort.


Drei Jahre nach der Errichtung eines totalitären Regimes in Deutschland war Berlin im Sommer 1936 der Gastgeber der Olympischen Spiele. Zu diesem Anlass wurde ein Stadion nach den Vorgaben des nationalsozialistischen Neoklassizismus errichtet. Unter der Leitung des Architekten Werner March und mit dem ästhetischen Einfluss von Albert Speer, dem Liebling und engen Freund Adolf Hitlers, verkörperte das Stadion sowohl die Ambitionen der Machthaber als auch den rassistischen Mythos einer germanischen Identität in Stein. Die Regisseurin Leni Riefenstahl widmete dem Ort einen Propagandafilm, der ihr filmisches Genie zum Ausdruck brachte.


Während des Krieges verschont, wurde die in West-Berlin gelegene Anlage von der britischen Besatzungsarmee besetzt, die dort verschiedene Militärparaden veranstaltete. Seit dem Kalten Krieg dient es als Spielort für die Fußballspiele des Vereins Hertha BSC und seiner 70.000 Zuschauer sowie für das jährliche DFB-Pokalfinale und verschiedene Leichtathletik-Wettbewerbe. Darüber hinaus finden dort regelmäßig Konzerte und kulturelle Veranstaltungen statt.


Die Architektur bleibt jedoch der des Dritten Reiches treu, und trotz der verschiedenen sportlichen, kulturellen oder festlichen Veranstaltungen, die dort stattfinden, bleiben die architektonischen Vorgaben bestehen.


Eine unbequeme Architektur


Trotz seiner beeindruckenden Größe wirkt der in der Tiefe versunkene Komplex monumental, und sein System von mit Kalkstein verkleideten Kolonnaden erzeugt ein Gefühl der Ewigkeit. Es gibt keine Farbe außer der Leichtathletikbahn im Blau des heimischen Fußballteams. Mit Ausnahme des Daches, das die Tribünen schützt, und der auf den Tribünen installierten Sitze behält das Stadion einen Großteil der Konfiguration bei, die es bei seiner Eröffnung hatte. Nur das Marathontor öffnet das Stadion teilweise und gibt den Blick auf den Olympischen Glockenturm frei.


Bei einem Rundgang durch das Stadion selbst fallen die deutsche Eiche, die germanischen Säulen und die für die Spiele von 1936 gegossene Olympiaglocke auf; alles Symbole des Nationalsozialismus, die, obwohl teilweise restauriert, nicht zu übersehen sind. Entlang der monumentalen und martialischen Allee, wo eine Reihe von Stelen die siegreichen deutschen Athleten jeder Olympiade ehrt, erscheinen die ehemaligen Olympiabäder, die heute ein prächtiges und furchteinflößendes Gemeinschaftsbad beherbergen, das von bedrohlichen Stufen aus felsigem, germanischem Gestein überragt wird und für die Öffentlichkeit unzugänglich ist.


Schließlich nimmt das riesige Maifeld, der Ort der Treffen der Hitlerjugend, umgeben von ebenso verlassenen Tribünen aus einer anderen Zeit und mit Blick auf ein monumentales Vorfeld, die Rednerbühne der Behörden, Gestalt an. Es handelt sich hierbei nicht um eine Sportarena.



Eine Führung ist notwendig


Ob das Olympiastadion eine großartige sportliche Einrichtung oder ein architektonisches Spiegelbild des Hitler-Regimes und seiner Ambitionen ist, bleibt bis heute umstritten. Auf jeden Fall kann man das Olympiastadion nicht besichtigen, ohne sich bewusst zu machen, dass Architektur nicht neutral ist und diese die des Dritten Reiches ist. Die Gestaltung des Ortes, aber auch die noch vorhandenen Symbole sind markante Elemente, die in Kontrast zur aktuellen Nutzung des Ortes stehen. Eine Kollision der Genres und eine Dichotomie, die durchaus verstörend sein kann.


Doch so ideologisch geprägt die Architektur des Stadions auch sein mag, so grandios und atemberaubend ist sie in ihrer Darstellung. Der ästhetische Kanon und die Kriterien sind wunderbar etabliert, und ein Besuch des Stadions ist sowohl für das historisch als auch das architektonisch interessierte Publikum ein Muss. Bemerkenswert ist, dass dem Besucher eine gewisse Freiheit eingeräumt wird, den Außen- und Innenbereich des Stadions individuell zu erkunden.


Es ist bedauerlich, dass an bestimmten Tagen wegen der Austragung von Konzerten weniger als die Hälfte der Orte besichtigt werden können. Die Untergeschosse sind nur im Rahmen von Führungen zugänglich, die vom Besucherdienst organisiert werden.


Gefällt mir

  • Eine grandiose und monumentale Architektur

  • Eine letzte nationalsozialistische Reliquie in Berlin

  • Relative Freiheit für individuelle Besuche

  • Sehr gute Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel

Gefällt mir nicht

  • Eine verstörende Kollusion der Genres

  • Bereiche, die ohne Vorwarnung für die Öffentlichkeit gesperrt sind

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