Das Sowjetische Ehrenmal im Tiergarten in Berlin erinnert an die Soldaten, die im April 1945 während der Schlacht um Berlin gefallen sind. Es ist das Zeichen der Macht eines untergegangenen Regimes und spiegelt derzeit das Narrativ und die Ambitionen Russlands wider.
Ein Besuch des sowjetischen Ehrenmals im Tiergarten lohnt sich.
Die Befreiung Deutschlands im Jahr 1945 war mit immensen Zerstörungen und dem Tod von Hunderttausenden von Zivilisten und Soldaten verbunden. Gemäß den Bedingungen der Konferenz von Jalta wurde das Land in mehrere Besatzungszonen aufgeteilt und die Sowjetunion erhielt die östlichen Gebiete sowie einen Teil von Berlin zurück. Die Toten der letzten großen Schlacht des Zweiten Weltkriegs blieben daraufhin in Berlin und wurden in verschiedenen, eigens dafür errichteten Gräberfeldern beigesetzt.
Die erste von ihnen befindet sich in den Überresten des Tiergartens, der von den Brandbomben völlig verwüstet wurde. Die Bauarbeiten wurden in aller Eile begonnen, um der Ankunft der alliierten Truppen in ihren Besatzungssektoren zuvorzukommen. Das Denkmal befindet sich nämlich im britischen Sektor, in unmittelbarer Nähe des Reichstagsgebäudes. Der Pferdefuß ist offensichtlich: Die Sowjets markieren ihr Territorium und läuten den Kalten Krieg ein. Als Friedhof ist das Tiergartendenkmal durch internationale Übereinkommen über den Fortbestand ausländischer Soldatengräber geschützt.
Nach 1961 wurde die sowjetische Gedenkstätte ironischerweise zu einer Enklave innerhalb der westlichen Zone, die damals von der Berliner Mauer eingeschlossen war. Sie wurde mit Barrikaden bedeckt, um den häufigen Demonstrationen von Feindseligkeit aus dem Westen zu begegnen. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR wurden die Karten neu gemischt und die Gedenkstätte ist seitdem ein exterritoriales Gebiet der Russischen Föderation. Dennoch bleiben die Symbole einer anderen Zeit bestehen, nur wenige Meter vom Deutschen Bundestag entfernt.
Ein sehr martialisches Ensemble
Das sowjetische Ehrenmal im Tiergarten befindet sich entlang der Allee des 17. Juni 1953. Von der Straße aus sichtbar, erhebt sich ein hübscher Portikus auf einem erhöhten Erdwall, wodurch eine erhabene Wirkung entsteht. Das Denkmal ist harmonisch gestaltet. Die perfekt symmetrische Kolonnade ist auf den Pfeiler zentriert, der die Statue des befreienden Soldaten trägt. Die Inschriften sind in kyrillischer Schrift gehalten und das Siegel mit Hammer und Sichel überragt die Szene. Nur die Namen der Generäle und Armeekorps sind auf den Säulen verzeichnet. Die einfachen Kämpfer bleiben anonym. In dieser Hinsicht hat die Statue die Züge des damaligen sowjetischen Militärgouverneurs.
An den Seiten thronen Artilleriegeschütze und zwei Panzer, die der offiziellen Darstellung zufolge die ersten waren, die bei Kriegsende in Berlin einfuhren. Sie wurden mehrfach renoviert und sehen aus wie neu. Auf der Rückseite des Portikus informieren Tafeln im Freien über die Formen und Gründe der verschiedenen Gedenkstätten, die von der Sowjetunion in Berlin errichtet wurden.
Wenn man den bebauten Rahmen verlässt, öffnet sich schließlich der Gräberpark, in dem die sterblichen Überreste von mehreren tausend Kämpfern begraben sind. Es gibt keine Blumen, nur eine lange Rasenfläche, über die ein Feldweg führt, der zum Ausgang in Richtung Reichstagsgebäude führt. Es gibt keine Kenotaphen. Zwei monumentale Urnen im Vorfeld erinnern vage an die Beerdigungsdimension einer Anlage, die in erster Linie politisch sein soll. Die Rote Armee feiert ihren Sieg und die Ehrung der gefallenen Soldaten tritt in den Hintergrund.
Ein falsches Signal für die Gegenwart und die Zukunft
Das Sowjetische Ehrenmal im Tiergarten in Berlin wirft die Frage nach dem politischen Nutzen und der Verwendung von Gedenkstätten auf, die aus der Geschichte hervorgegangen sind. In der Tat ist es ein Symbol der Vergangenheit und eines untergegangenen Regimes. Doch das Ensemble ist nicht nur ein historisches Relikt, einzigartig und sperrig, wie die von der ehemaligen DDR errichteten Bauwerke. Es ist heute Eigentum der Russischen Föderation, die die volle und uneingeschränkte Verantwortung dafür trägt.
1945 wurde der militärische Geist durch jahrelangen Krieg und Opfer gerechtfertigt, und die heroischen Formen der Architektur entsprachen den in der Sowjetunion geltenden Codes. In dieser Hinsicht ist es eine historische Kuriosität und nicht uninteressant; umso mehr, als der Zugang frei und uneingeschränkt ist. Trotz des Epochenwechsels hat Russland keine nennenswerten Änderungen vorgenommen, und dies ist eine bewusste Entscheidung. Welchen Nutzen hat es, die Panzer und Artilleriegeschütze beizubehalten? Im besten Fall spiegelt Stillstand Ignoranz und Verleugnung wider. In diesem Fall handelt es sich eher um ein Streben nach Macht und Stärke. Der Ort wird für patriotische Versammlungen genutzt, die von Moskau inszeniert werden. Die Öffentlichkeit lässt sich davon nicht täuschen und organisiert je nach aktuellem Anlass regelmäßig Demonstrationen vor der Gedenkstätte.
Die Gedenkstätte bietet weder Raum für Katharsis noch für Besinnung. Im Jahr 2024 ist es ein militaristisches und kriegerisches Symbol im Herzen der deutschen Hauptstadt, vor den Augen der Öffentlichkeit. Die Instrumentalisierung der Erinnerung und die aktuellen Formen tragen absolut nicht zur Annäherung zwischen dem deutschen und dem russischen Volk bei. Die Russische Föderation sollte erstens die militärische Ausrüstung musealisieren, zweitens ihre Botschaft überdenken und drittens die Form ändern. Sie könnte sich dabei von der Neuen Wache inspirieren lassen: Tatsächlich hat das Berliner Kriegerdenkmal im Laufe der Jahrhunderte mehrere grundlegende Anpassungen erfahren, die es ihm ermöglichen, stets im Einklang mit der Zeit zu leben. Dennoch würde ein ähnlicher Prozess einen tiefgreifenden Paradigmenwechsel in der russischen Erinnerungspolitik erfordern.
Pro
Der freie Zugang
Das Gefühl einer Epoche nacherleben
Ein sehr gut gepflegter Komplex
Kontra
Ein Ort der Macht, nicht der Erinnerung
Eine veraltete und problematische Botschaft
Die Auslöschung der Opfer des Krieges
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